Diskussion in Wiesbaden: Wie Innenstädte wieder produktiv werden können

Diskussion in Wiesbaden: Wie Innenstädte wieder produktiv werden können
Diskussion in Wiesbaden: Wie Innenstädte wieder produktiv werden können | Bild: © Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden | Jason Sellers

In einem ausgebuchten Saal im Haus der Architekten hat das Stadtmuseum sam in Wiesbaden Experten aus Stadtplanung, Architektur, Forschung, Kultur und der Stadtgesellschaft zu einem DesignDialog versammelt. Thema war das Leitbild der produktiven Stadt und dessen Bedeutung für die Entwicklung der Wiesbadener Innenstadt. Die Veranstaltung moderierte Andrea Jürges vom Deutschen Architekturmuseum Frankfurt. Begrüßt wurden die Teilnehmenden unter anderem von Torsten Becker vom Verband AKH und Sabine Philipp, Direktorin des sam.

Diskussion und zentrale Thesen

Im Mittelpunkt der Debatte stand die Frage, wie Arbeiten und Wohnen in der Stadt künftig wieder stärker miteinander verknüpft werden können. Das Konzept der produktiven Stadt zielt darauf ab, kleinteilige Produktion, Handwerk und urbane Landwirtschaft zurück in zentrale Lagen zu bringen. Als erwartete Folgen nannten die Beteiligten kürzere Wege, resilientere Quartiere, eine größere soziale Durchmischung und Impulse für nachhaltige Stadtentwicklung.

Francesca Ferguson von der Berliner Initiative Make_Shift machte deutlich, dass die produktive Stadt ihrer Ansicht nach eine Antwort auf mehrere gleichzeitige Probleme sei: Fachkräftemangel im Handwerk, das Verschwinden von Kleinbetrieben aus den Innenstädten und eine fehlende urbane Nahrungsmittelproduktion. Sie schlug vor, Erdgeschosse und Innenhöfe bewusst für Kleingewerbe zu öffnen und Leerstände durch gezielt vereinbarte Nutzungen und befristete Zwischennutzungen zu aktivieren.

Philipp Krass von berchtoldkrass space und Lehrender in Rapperswil prognostizierte, dass Innenstädte in Zukunft weniger konsumorientiert sein und verstärkt als Orte des Austauschs erhalten bleiben würden. Handel werde zwar an Bedeutung verlieren, doch Bildung, Kultur und verträgliche Produktion könnten den öffentlichen Raum neu besetzen. Neue Mischungen von Wohnen, Arbeiten und Kultur erforderten Anpassungen in Wohnquartieren und städtischer Infrastruktur, nicht zuletzt im Hinblick auf den Klimawandel.

Implikationen für die Wiesbadener Innenstadt

Aus Sicht der kommunalen Planung ist das Thema hochrelevant. Constanze Paffrath vom Stadtplanungsamt Wiesbaden verwies darauf, dass die europäische Stadt als Leitbild sowohl ökologisch wie sozial verantwortbar sei. Die Herausforderung bestehe darin, Strategien zu entwickeln, die ein gerechtes und nachhaltiges Zusammenleben für alle Bevölkerungsgruppen ermöglichen.

Die Diskussion brachte konkrete Ansatzpunkte für Wiesbaden hervor: Leerstände sollen aktiv genutzt werden, Erdgeschosse und Innenhöfe besser zugänglich gemacht werden, und Pop up Leases können eine Brücke für Kleingewerbe zurück ins Zentrum bilden. Torsten Becker betonte, dass das Innenstadtversprechen neu gedacht werden müsse und dass gute Planung nur in Netzwerken zwischen verschiedenen Fachrichtungen gelingt.

Plattform und Ausblick

Der DesignDialog, der als gelabeltes Projekt der World Design Capital 2026 Frankfurt RheinMain bezeichnet wurde, diente Teilnehmern und Bürgerinnen und Bürgern als Vernetzungsplattform für Fragen der städtischen Zukunft. Sabine Philipp hob hervor, dass das sam als Stadtmuseum nicht nur Vergangenheit vermitteln wolle, sondern auch Räume für die Entwicklung neuer Ideen schaffen möchte. Geplant ist, den Dialog 2026 fortzusetzen und im ehemaligen Sportscheck Gebäude in der Langgasse 5-9 das Erdgeschoss von Mai bis Oktober als einen offenen Raum für Projekte der World Design Capital 2026 aus Wiesbaden und Umgebung zu nutzen.

Das große Interesse der Besucherinnen und Besucher unterstrich, dass die produktive Stadt weniger ein rein planerisches Konzept ist als ein sozialer und kultureller Auftrag. Für Wiesbaden bleiben damit Fragen nach dem Umgang mit Leerständen, der Stärkung des Handwerks und der Schaffung klimafreundlicher Quartiere auf der Agenda.

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Redaktion Bischofsheimer Kurier 12 Artikel
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